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Enstehung der Geo- Datenbank (ehem. Militärgeschichte DDR bei geschichtsspuren.de)
Kapitel 1
Meine Heimatstadt Lutherstadt Wittenberg war Garnisonstadt der sowjetischen Armee.
Eine Vielzahl Kasernen, Wohnsiedlungen und anderen militärischen Objekten prägten
das Stadtbild sowie das Umland seit 1945 bis ins Jahr 1993 intensiv. Sowjetische Kraft-
fahrzeuge waren ständig präsent. Man sah, hörte und roch sie; die Abgase hatten ihre
eigene, markante Duftnote. Im Stadtzentrum gab es eine große Schule für die Kinder
der sowjetischen Offiziersfamilien sowie einen russischen Laden in dem auch wir
DDR-Bürger einkaufen durften. In meiner frühen Kindheit rasselten noch sowjetische
Kampfpanzer vom Typ T-62? die damalige Ernst-Thälmannstraße entlang. Danach wies
die Kopfsteinpflasterstraße markante Löcher auf; ganze Steine fehlten. Sowjetische
Kampfflugzeuge durchbrachen mehrmals wöchentlich die Schallmauer über Wittenberg
so, dass die Wände und Fensterscheiben der Plattenbauten wackelten. Faszinierend und
erschreckend zu gleich. Entsinnen kann ich mich ebenfalls, dass wir als Schüler im
Dezember 1979 der Verabschiedung einer sowjetischen Panzereinheit am Bahnhof in
Wittenberg beiwohnten (Bild 1 + 2). Gelegentlich bekamen wir Kinder auch die von uns
begehrten, kleineren Abzeichen- auf die Frage nach “Snatschok”- von sowjetischen
Soldaten geschenkt. Mit der AG “Junge Sanitäter” besuchten wir mehrmals Schüler in
der russischen Schule und im jugendlichen Alter durften/ mussten wir im Rahmen der
Gesellschaft für Deutsch- Sowjetische Freundschaft (DSF) einem Schießen sowjetischer
Soldaten mit Maschinenpistole Kalaschnikow auf dem Schießplatz nahe der Ortschaft
Trajuhn beiwohnen. Wie das so ist, alles was verboten war... weckt bei einigen Kindern
erst recht den Reiz dies zu erkunden. Und verboten war fast alles, was mit den
sowjetischen Kasernen zu tun hatte. Fotografieren und betreten sowieso.
Kapitel 2
Ein weiteres Interesse wurde irgendwann in mir geweckt. Wanderkarten und Auto-
atlanten- der Reiz irgendwie von A nach B zu kommen und Dinge zu sehen, die in
diversen Karten verzeichnet waren- oder eben auch oftmals festzustellen, dass im
Gelände vor mir etwas lag was auf der Karte nicht eingezeichnet war. Rund 15 Jahre
später sollten andere Personen über dieses Phänomen unter anderem diese Publikation
verfassen >>> Klick
Im Frühjahr 1990 schritt die politische Wende in der DDR weiter voran. Ich war gerade
19 Jahre jung und bekam Zutritt zu einem Kartenlager im Stabsgebäude einer NVA- Kaserne.
Nicht, um mich weiterzubilden, nein- tausende topographische Karten sollten vernichtet,
damals am Standort im Heizhaus verbrannt werden. Zweimal am Tag wurde ich in der
Kartenstelle eingeschlossen und hatte dadurch zum ersten Mal in meinem Leben Zeit,
mich mit den detailreichen Einträgen der bedruckten Kartenblätter zu befassen. Das
war kein Vergleich zu den zivilen Land- und Wanderkarten die es bis dahin in der DDR zu
kaufen gab. Ab diesem Zeitpunkt begann ich, topografische Karten zu sammeln. Ich
bewahrte, verbotenerweise, einige hundert Exemplare vor der in meinen Augen sinnlosen
Vernichtung und führte das ehemalige Volkseigentum in meinen privaten Besitz über.
Am Ende des Frühsommers 90, nach unzähligen Tagen und Wochen im Kartenlager, war
auch das egal. Nimm Dir welche mit- hieß es nun. Es interessierte jetzt niemanden
mehr in der untergehenden Nationalen Volksarmee, es ging drunter und drüber. Junge
Offiziere im Dienstgrad Unterleutnant bis Leutnant standen Wache und liefen im Objekt
Streife. Sie verlegten Steckdosen auf einzelne Postentürme und schlossen daran
Kaffeemaschinen an- früher undenkbar. Wehrpflichtige Soldaten gab es kaum bis gar
nicht mehr- der größte Teil war in die noch vorhandene Volkswirtschaft entlassen.
Es war eine aufregende Zeit.
Zwischenzeitlich kam mir in den Sinn, rein privat für mich allein, eine Übersicht über
militärische Liegenschaften auf dem ehemaligen Gebiet der DDR anzufertigen; wo gab es so
etwas schon? Die Objekte wollte ich im “Atlas für Motortouristik” (Bild 3) handschriftlich
eintragen. Die Euphorie verflog schnell. Der Maßstab war zu klein, die Objekte vielzählig.
Einige Zeit nach der Wiedervereinigung beider deutscher Staaten, ich war nun glücklicher
Besitzer einer kleinen Kartensammlung rein topgrafischer Karten, wurde in einer nun der
Bundeswehr gehörenden Liegenschaft eingebrochen; genauer gesagt in eine verbunkerte
Vermittlungszentrale. Die dazugehörige Kaserne war aufgelöst und verlassen. Die technischen
Geräte in der Vermittlung arbeiten autark- wurden bis zu dem Einbruch nur durch eine
Streife sporadisch überprüft. So kam es, dass Soldaten unserer Einheit abgestellt wurden
um dieses 35 km entfernte Objekt ab sofort im 24 Stunden Rhythmus zu bewachen. Ein
Kamerad welcher dorthin abgestellt wurde, sagte mir eines Tages, dass dort auch Karten
herum liegen. Natürlich fuhr ich hin. Auf meinem Rundgang im Objekt bot sich ein Bild
der Zerstörung und Verwüstung. Türen und Fenster waren herausgerissen, letztes
vorhandenes Mobiliar zerkloppt.
Und dann war da dieser ca. 50m² große Raum auf dessen Boden Bücher und topografische
Karten wild durcheinander lagen. Andere Personen waren über die Berge schon drüber
gelaufen, erkennbar an Fußabtritten und markanten Beschädigungen. Aber es waren
keine Karten wie ich sie kannte sondern diese waren spezieller. Topografische Karten
mit Sonderdruck (Bild 4 + 5).
Kapitel 3
Die dienstlich gelieferten GPS-Empfänger von Rockwell Collins (PLGR) waren Mangelware,
groß und schwer außerdem. Das Kartengerät (Bild 6a) der Fahrzeugnavigationsanlage FOA 50
der Firma Teldix war fest in Fahrzeugen verbaut und nicht für den tragbaren Einsatz konzipiert.
Erfreulicherweise kamen im Jahr 1993/94 die ersten zivilen GPS-Empfänger auf den deutschen
Markt. Es war faszinierend. Irgendwo da oben flogen Satelliten umher und man konnte seinen
Standort auf damals 10 bis 100 Meter bestimmen. Allerdings zeigten diese Geräte nicht wie
heute den Standort auf einer digitalen Karte sondern “nur” Koordinaten an welche der Nutzer
nun auf eine Karte aus Papier übertragen musste. Vor allem konnte man Wegpunkte und Tracks
speichern. Das heißt, man konnte Liegenschaften, welche in keiner Karte eingetragen waren,
grob vermessen. Anfänglich war der Speicher der Geräte sehr beschränkt und eine geeignete
Software zum Auslesen der Daten gab es erst später. Die Daten konnten erst einmal auf
Diskette mit “gigantischen” 1,44 MB Speicherplatz gespeichert werden. Das Garmin 75 (Bild 6)
kostete anfänglich über 1500 DM (SONY Pyxis 760 sogar 3000 DM). Das 75er Garmin war
ähnlich groß und schwer wie das PLGR von Rockwell, , dafür robust und mit beleuchteten
Tasten ausgestattet welche man auch mit Handschuhen bedienen konnte. Glücklicherweise
bekam ich ein Garmin 75 als Leihgabe. Beim ersten Testbetrieb im Wald auf einem Übungsplatz
dachte ich jedoch, das Gerät sei defekt. Es zeigte keinen Satellitenempfang und somit auch keine
Standortkoordinaten an. Der Empfänger funktionierte damals nur gut unter freiem Himmel,
was ich an diesem Tag erst lernen durfte, und konnte max. 8 Satelliten verfolgen- kein Vergleich
zu heutigen Geräten.
Das betreten (befahren) und fotografieren russischer Liegenschaften wurde mir im Frühjahr
1993 zum Verhängnis. An einem Sonntagvormittag nahm mich eine russische Streife auf
deren größten Militärflugplatz nahe Sperenberg (Bild 7 + 8) fest. “Erfreulicherweise” hatte
ich meinen Dienstausweis, Kartenmaterial vom Flugplatz, einen Fotoapparat und einiges
mehr bei mir. (Auszüge Protokoll der Festnahme Bild 9/10 sowie Skizze für MAD Bild 11)
Der Vorwurf der Spionage stand im Raum. Nach mehrstündiger Befragung auf dem
Fliegerhorst Sperenberg und später im Oberkommando der WGT in Wünsdorf (inklusive
kostenfreiem Mittag- und Abendessen) wurde ich in den frühen Nachtstunden mitsamt
meinem Motorrad nach Zossen gefahren und der dortigen deutschen Polizei übergeben.
Am Montag klingelte dann in der Kaserne bei meinem Chef das Telefon- die Russen hatten
die erfolgreiche Festnahme eines “Aufklärungsunteroffiziers des Stabes” im Radio gemeldet.
Der MAD ermittelte in der kommenden Zeit nun seinerseits, ob mir die Gegenseite ein
“Angebot” auf Grund meiner Festnahme unterbreitet hatte.
Kapitel 4
Ebenfalls 1993 wurde es digital, setzten sich erste Mobiltelefone in der Größe einer kleinen
Aktentasche für das damalige C- Netz durch. Minutenpreise von knapp 2 DM tagsüber waren
normal. Ein Jahr später, 1994, führte die Bundeswehr das digitale Kartenprogramm
MilGeo-PCMAP ein (Bild 12). Super! Karten von Deutschland im Maßstab 1:50 000 auf
18 CD´s. Und: man konnte Zeichnungen in Form von Flächen, Symbolen und vieles mehr
einfügen. Die früher angedachte und verworfene Datenbank nahm nun erstmalig ihren Lauf.
Ich trug die Liegenschaften ein, die ich aus mir bekannten Gegenden kannte und neue, zu
denen ich vor Ort Informationen erhielt. Eine Suche im Internet, so wie man sie heute kennt,
war nicht möglich.
Es gab langsame Notebooks mit Windows NT 3.1 und Modems mit einer Datenrate..... ein
einziges Bild (ca. 1 MB) herunterladen dauerte MI-NU-TEN; ganz abgesehen von den
Geräuschen die das Modem dabei machte (krchzpiepkrchzrauschrkchz... >>> Klick)
Der Vorteil war, man wurde nicht mit in Massen verfügbaren (unwichtigen) Informationen
erschlagen wie es heute der Fall ist. Die Medienwelt war diesbezüglich etwas ruhiger.
Einige Jahre später wurde für den zivilen Markt eine CD- Reihe mit dem Namen Top50
herausgegeben. Diese basierte auf der von EADS programmierten militärischen Version von
MilGeo-PCMAP. Das zivile Programm war etwas abgespeckt; jedoch ließen sich die selbst
erstellten Einträge der bisher erstellten Datenbank problemlos ex- und importieren.
Je mehr Einträge die Datenbank erhielt, umso langsamer wurde der Kartenaufbau bei der
Nutzung des Programm´s. Im Jahr 2003 entdeckte ich durch einen Tipp das Programm
TTQV (Bild 13).
Bis dahin nutzte ich unterwegs Fugawi in Verbindung mit einem GPS-Empfänger. Der Vorteil
von TTQV lag darin, dass sich neben den digitalen Karten des Programms Top50 auch
unzählige andere Kartenformate importieren ließen- später auch Luftbilder aus Google-Earth
oder hochauflösende CIR- Aufnahmen. Außerdem lief der Bildaufbau im Vergleich zu den
anderen beiden Programmen merklich flotter. Es gab nur ein Problem, die erstellte Datenbank
ließ sich nicht importieren. Also, alle Einträge noch einmal per Hand neu eingetragen; denn
eine Zeichnen- Funktion besaß TTQV auch.
Kapitel 5
Im Jahr 2005 bekam ich Kenntnis von speziellen Kartensätzen zweier ehemaliger Ministerien
sowie Kartensätze aus dem Bereich des Nationalen Verteidigungsrates der DDR. Das was ich
privat angefangen hatte, hatten Stabsoffiziere des Ministeriums für Staatssicherheit und des
Ministeriums für Nationale Verteidigung in jahrelanger Kleinarbeit schon zusammengetragen.
In tausenden topographischen Karten verschiedener Jahrgänge in den Maßstäben 1:10, 1:25
und 1:50 000 wurden mittels Buntstiften in der Karte sowie mittels wasserfesten Stiften auf
darüber liegenden Folien tausende Objekte (Kasernen, Übungsplätze, Rüstungsbetriebe,
Baumaßnahmen, Bunker) welche eine strategische Bedeutung besaßen uvm. (Bild 14)
eingetragen und in zugehörigen Listen mit der jeweiligen Beschreibung katalogisiert. Ein Teil
dieser Karten war im Ministerium für Nationale Verteidigung MfNV in Strausberg vernichtet
wurden. Ein anderer Teil lag schon im Container bereit zum Schreddern; bis ein Mitarbeiter
beschloss diesen Teil unserer deutschen Geschichte zu erhalten und die Kartensätze vor der
Vernichtung rettete. Ein Teil dieser Kartensätze wanderte in Privatbesitz (das nennt sich dann
Privatarchiv), einige Karten wechselten für Geld verschiedene Besitzer die heute wie die Henne
auf dem Ei darauf sitzen bis sie von der Stange fallen. Andere, ähnliche Kartensätze liegen in
Archiven für jeden frei zugänglich. Einige konnten jedoch nicht vor der Vernichtung bewahrt
werden und sind für immer verloren.
Kapitel 6
Zwischenzeitlich wurde das Internet umfangreicher und über schnellere Datenleitungen
zugänglich. Es gab etliche Internetforen welche sich der Thematik militärische “Lostplaces”,
DDR, Bunker etc. widmeten. In den Foren gaben sich verschiedenste Gruppen oder
Einzelpersonen die Klinke in die Hand; mal mehr Mal weniger freundlich- einfach mit dem
Ziel sich gemeinschaftlich über gleiche Interessen zu unterhalten; aber auch um Informationen
abzuschöpfen und gesammeltes Wissen in Teilen auch zu vermarkten. Das war der aus
schlaggebende Zeitpunkt, um Teile der Geo- Datenbank Version 1 der Öffentlichkeit
im Jahr 2008 auf geschichtsspuren.de als Download im kmz-Format zur Verfügung zu
stellen.
Bild 1
Bild 2
Bild 3
Bild 4 / Karte der Passierbarkeit und des
Pionierausbaus Wittenberg
Bild 12 / MilGeo-PCMAP mit einegzeichneten
mil. Liegenschaften um Wittenberg
Bild 13 / TTQV4 mit TK25 (li) und CIR- Luftbild (re) mit mil. Ein-
tragungen im Bereich Apollensberg, Lutherstadt Wittenberg
Bild 6b / Garmin 75
Bild 14
Bild 7 / Sperenberg 1993
Bild 5 / Karte des Fernmeldenetzes Wittenberg
Bild 8 / Sprerenberg 1993
Bild 9 / Protokoll der Festnahme 1993
Bild 10 / Protokoll der beschlagnahmten Gegenstände
Bild 11 / Skizze für den MAD mit Ablauf der Festnahme
Bild 6a / Kartengerät FOA KG 25
(Prospekt Teldix)
Bild 6a / Kartengerät FOA KG 25 in Nutzung