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alte Beschreibung vormals DDR-Geo-Datenbank aus dem Jahr 2008 (1. Onlineversion)
Hintergrund und Idee
“In der Datenbank sollen nicht mehr existente, bekannte Orte aufgezeigt werden- aber auch
Orte, von deren Existenz die Mehrheit der DDR- Bürger nicht im Ansatz etwas ahnte oder
deren Bestimmung kannte. Diese Datenbank soll es dem Nutzer ermöglichen, die in anderen
Quellen meist nur unzureichende oder gar nicht vorhandene, detaillierte geographische Lage
verschiedenster Objekte nachzuvollziehen. Es geht darum, Wissen in geographischer Form
zu erhalten und weiterzugeben.
Die DDR als Staat gibt es seit 1990 nicht mehr. Volkseigene Betriebe wurden abgewickelt. Das
Ostgeld inkl. Aluchips sowie Forumschecks und Intershops sucht man vergebens. Es gibt nur
noch eine Währung für alle Bürger. Der vergiftete Silbersee bei Bittefeld - für dessen
Dokumentation Umweltaktivisten in der DDR ihre Freiheit aufs Spiel setzten, wurde renaturiert.
Demonstrationen gegen den Wahlbetrug des Staates und für mehr Freiheit sind passee.
Verschwunden sind auch viele Objekte der Freizeitgestaltung für die Jugend - Kindergärten
und Kindergrippen wurden mancherorts mehrfach zurückgebaut - ein Anrecht auf einen
Krippenplatz gibt es heute ebenso wenig wie das Recht auf Arbeit. Allerdings hatte auch
nicht jeder in der DDR Arbeit, denn wer sich nicht in das System der DDR einfügte, bekam
eventuell ein Berufsverbot (was es offiziell gar nicht gab) oder der Staat ließ "unbequeme"
DDR-Bürger in Einzelfällen nach einem Auslandsaufenthalt einfach nicht mehr einreisen.
So einfach ging das.
Es ist zwar kein Schwerpunkt dieser Datenbank, trotzdem werden sich hier und da Einträge
zu ehemaligen, heute "verschwundenen" Namensgebungen finden lassen. Wer erinnert sich
nicht an die vielen sozialistischen Bezeichnungen wie z.B. den Sportplatz "Kampfbahn des
Friedens" in der Lutherstadt Wittenberg? Erwähnenswert auch das GST- Lager "Rote Jungfront",
die LPG "Roter Oktober", das FDGB Ferienheim "Roter Stern", die vielen Klubhäuser "Karl Marx",
Straßennamen wie "Leninplatz", "Sieg des Sozialismus" und viele andere. Des Öfteren auch
zu finden die "Straße/ Platz der Einheit"; obwohl ja um 1970 nicht davon auszugehen war,
daß damit der Zusammenschluss beider deutscher Staaten im Jahr 1990 gemeint sein würde.
Aber auch relativ unpolitische Bezeichnungen wie die "Broilergaststätte" oder diverse
Volkseigene Betriebe (VEB) und Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften (LPG)
sind zum Teil in der Datensammlung enthalten.
Der inhaltliche Schwerpunkt dieser Datenbank liegt auf ehemaligen staatlichen Liegenschaften,
wobei in der sozialistischen DDR sowieso fast alles staatlich war - man nannte das
"Volkseigentum". Losungen wie "Alle Macht dem Volk" wurden der Staatsführung am
Ende wohl auch zum Verhängnis und mancher Arbeiter im Betrieb sah im Wort "Volkseigentum"
eine magische Anziehungskraft vom Produktionsmittel ausgehen - diese wurden dann
manchmal kurzerhand umgelagert - nämlich in die eigenen vier Wände.
Schwerpunkt Militär: Liegenschaften des der NVA und der GSSD gingen nach dem Zusammenschluss
beider deutscher Staaten im Jahr 1990, spätestens aber nach dem Abzug der sowjetischen
Besatzungstruppen 1994, größtenteils in eine zivile Nutzung über oder liegen noch heute
brach. Nur ein Bruchteil ehemaliger Standorte wurde von der Bundeswehr übernommen.
Wer weiß heute, wie flächendeckend das Militär zu Zeiten des kalten Krieges damals auf
dem Territorium der DDR vertreten war? Wer wusste es zu Zeiten vor 1989, als es unmöglich
war, solch eine Datenbank zu erstellen. Kasernen wurden nicht wie heute im Telefonbuch
aufgeführt, Übungsplätze und Flugplätze wurden ebenfalls nicht in käuflich erwerbbarem
Kartenmaterial dargestellt. Die Beschilderung in den Ortschaften (zur Kaserne) gab es nicht
und militärische Bezeichnungen (Truppenteil) konnte man auch nirgends finden. In der Zeitung
fand man hier und da nur Hinweise auf Traditionsnamen eines erwähnten Truppenteiles, was
dann geographisch auch noch verschleiert wurde. Überhaupt war es mit der zivilen Geographie
nicht um das Beste bestellt. Wurde doch auf Drängen der Staatsführung bzw. des Ministeriums
für Staatssicherheit (MfS) in Wanderkarten und Straßenatlanten viel retuschiert und "geändert" -
auch gefälscht. Selbst Autokarten (1:200 000) wurden örtlich verzerrt, um das Entnehmen von
exakten Geländemaßen an ausgewählten Räumen zu verhindern.
Trotzdem wurde man mancherorts fast täglich mit dem Militär konfrontiert. Als Jungpionier lernte
man das Lied von den Soldaten, in der Schule machten Vertreter des Wehrkreiskommandos
Werbung für militärische Berufe, in Klasse 9 durfte man im Mathematikunterricht den Spritverbrauch
einer Panzerkolonne der NVA berechnen und Bewegungsenergie wurde unter anderem anhand
von Kampfflugzeugen der NVA erklärt. Im gleichen Schuljahr fand das zweiwöchige Wehrlager
statt - eine Art vormilitärische Ausbildung für Jugendliche (nur Jungen). Hier wurde neben dem
Frühsport das Marschieren geübt, die Handhabung der Gasmaske wurde trainiert und Themen
wie politische Bildung, Arbeit mit Karte und Kompass sowie das Schießen mit Kleinkaliberwaffen
standen auf dem Ausbildungsplan. Mehrmals wöchentlich wackelten die Scheiben und Wände
der Neubaublocks, wenn Kampfflugzeuge des Warschauer Pakts die Schallmauer durchbrachen.
Die Kopfsteinpflasterstraßen meiner Heimatstadt mussten auch mehr als einmal daran glauben -
wenn sowjetische Truppen mit ihren Kampfpanzern ohne Kettenschutz (NATO- Kampfpanzer besitzen
Gummipolster in der Kette) die Straßen entlang rasselten und quietschten
Ein kleiner Ausschnitt aus einer DDR-Zeitung “Junge Welt” aus dem Jahr 1987 lautete:
Bis zu 14 000 Soldaten ...
Während eines großen Manöver des Warschauer Pakts stand ich im Garten in Reinsdorf und
schaute gebannt zum Himmel - im Stundentakt flogen große Verbände von sehr tief fliegenden
Mi-24 Kampfhubschraubern über uns hinweg. Irgendwann hörte ich mit dem Zählen auf, es war
gigantisch. Anderntags Jagdflugzeuge und Kampfbomber - dröhnend laut und schnell - mal tief,
mal sehr hoch und nicht so gemächlich langsam wie heute die Flugzeuge der Bundeswehr, die
heute natürlich bei weitem nicht so fliegen dürfen, wie sie könnten oder wie es zu Zeiten des
kalten Krieges üblich war. Russische LKW roch man hunderte Meter weit gegen den Wind, es
muß an der einzigartigen Kraftstoffmischung gelegen haben, die diese Kfz tankten. Nur, wo die
Standorte des Militärs waren, das wusste man nicht - im Gegensatz zum Nachbarstaat BRD.
Eine der Datenbanken befasst sich mit dem Thema "Staatsgrenze und Grenzen". Für manche
war es der notwendige "antifaschistische Schutzwall", welcher den "siegenden Sozialismus vor
dem westlichen Klassenfeind schützen" musste. Andere nahmen diese Grenze einfach so hin
und für wieder andere war es ein Zaun mit Selbstschussanlagen, welcher eine Diktatur
symbolisierte. Für die Letztgenannten wurde diese Grenze darum auch oft - zu oft - zum tödlichen
Hindernis. Der gewöhnliche DDR-Bürger sah die richtigen Grenzsperranlagen sowieso nie, denn
ca. 4 bis 10 km vor der Westgrenze war die Reisefreiheit zu Ende. Erst kam die Sperrzone,
dann der Sperrstreifen, beide durften nur mit Passierscheinen betreten werden. Auf den Straßen
gab es ein Netz von stationären Kontrollposten der Volkspolizei. Eine Fahrkarte für eine Fahrt
mit der Deutschen Reichsbahn ins Sperrgebiet bekam man am Fahrkartenschalter generell nur
mit einer zeitweiligen Genehmigung. Diese wurde beim zuständigen Volkspolizeikreisamt (VPKA)
ausgestellt - jedoch nur an Bürger mit triftigem Grund und loyalem, sozialistischem Staatsbewusstsein.
Selbst in den Zügen auf den Fahrten Richtung Westgrenze patrouillierten Genossen des Ministeriums
für Staatssicherheit (MfS) und der Transportpolizei (Trapo); man hielt Ausschau nach eventuellen
Republikflüchtlingen.
Die Sperranlagen, Kontrollstellen, Grenzräume, die Berliner Mauer, Postentürme etc. werden
nach und nach in die Datenbank eingetragen. Interessierte werden auch die abgesiedelten
Orte entlang der ehemals innerdeutschen Grenze finden. Diese Orte lagen "einfach strategisch
ungünstig" bzw. waren mit größtenteils "politisch unkorrekten" Bürgern besiedelt. Die DDR
evakuierte die Bürger kurzerhand und ließ die Orte in den vielen Fällen dem Erdboden
gleich machen.
Ein weiterer Daten-Schwerpunkt sind die Zentren der politischen Machtausübung, so zum
Beispiel die Liegenschaften des Ministeriums für Staatssicherheit, welche im Land reichlich
vertreten waren und zum Teil heute noch nicht vollkommen bekannt sind. Auch die
Untersuchungshaftanstalten dieses Ministeriums, die geheimen verbunkerten
Ausweichführungsstellen (AFüSt) und Gefängnisse für überwiegend politische Gefangene
werden aufgezeigt. In diesen Haftanstalten saßen "im Namen des Volkes" verurteilte, anders
denkende DDR-Bürger unter teils unmenschlichen Bedingungen ihre Strafe ab. Des Öfteren
verkaufte die DDR auch Häftlinge ins Ausland - pro Mensch soll die DDR 40- 90 000 DM
erhalten haben.
Natürlich sollen die vielen "Kreml"´ nicht unerwähnt bleiben, wie die Liegenschaften der
Kreisleitungen der SED (Sozialistische Einheitspartei Deutschlands) im Volksmund oft genannt
wurden. Unter staatliche Einrichtungen fallen auch die unzähligen, ehemaligen zentralen
Pionierlager (ZPL) und anderen Pionierobjekte sowie die vorbereiteten Isolierungs- und
Internierungslager der DDR.
Wo Licht ist, ist bekanntlich auch Schatten. Seit kurzer Zeit werden nicht nur schöne Orte wie
Biosphärenreservate oder technische Denkmale in die Datenbank eingetragen, sondern auch
Orte bzw. Liegenschaften aus einer anderen Zeit deutscher Geschichte. Die Rede ist von
Arbeitslagern, Konzentrationslagern, Vernichtungslagern, Tötungsstätten und anderen,
ähnlichen Einrichtungen aus der Zeit des Nationalsozialismus. Viele dieser Orte besaßen
bis vor wenigen Jahren oder Jahrzehnten keine Gedenkstätten. Man tat sich schwer mit
der Aufarbeitung der Geschichte - selbst in der sozialistischen DDR. Oftmals wird an
diesen Orten heute gearbeitet, produziert (weil sich das KZ bzw. Außenlager auf dem
Industriegelände einer deutschen Firma befand), oder es dient als Heilstätte bzw. Krankenhaus -
weil die Euthanasie-Tötungsstätten damals meist in vorhandene Heilanstalten verlegt wurden.
Diese traurigen Orte sollen nicht dazu dienen, die Bevölkerung eines ganzen Dorfes,
Betriebes oder gar Staates zu verunglimpfen oder zu verurteilen - sie sollen der Erinnerung
dienen. Sie sollen zeigen, wozu Menschen vor nicht einmal achtzig Jahren unter dem
Deckmantel des Staates fähig waren - zum staatlich organisierten Massenmord. Sie sollen
dazu dienen, aus dieser Erfahrung zu lernen.”
Beispiel-Screenshot der alten Datenbankversion für Google Earth mit externem Link.
ehemaliges Startbild